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„Den Tretroller neu erfunden“
Eine Klein Nordender Firma möchte den Markt für sich erobern

KLEIN NORDENDE Der Tretroller - für viele Ältere ist er ein nettes Erinnerungsstück an Kindertage. Andere haben ihn später - vorübergehend - als Erwachsene wiederentdeckt, um von Bus oder Bahn schnell die letzten Meter bis zur Arbeitsstelle zu überwinden. Für die Helgoländer ist er auf der auto- und fahrradfreien Insel nie ganz aus der Mode gekommen. Jetzt liegt der Roller überall wieder voll im Trend. Eine Unternehmerin aus Klein Nordende hat sich große Ziele gesetzt.
Lange Jahre war Birgit Schamuhn Geschäftsführerin in einer Elmshomer Modellbaufirma. Dann entschloss sie sich, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Sie hatte erkannt, dass immer mehr Menschen unabhängig vom Auto und auch vom Fahrrad eine praktikable Lösung „für die Mobilität der letzten Meile“ suchen. „Eine Lösung sollte es sein, die im Alltag bestehen und unkompliziert eingesetzt werden kann“, sagt sie. „Wir haben deshalb den Tretroller neu erfunden.“ Letzten Schwung gab die Entwicklung der Elektromobilität. Und so gründete Birgit zusammen mit ihrem Mann Jörg die Firma „goimate“ mit Geschäftssitz in Klein Nordende.

Zunächst wurde ein Investor gesucht und gefunden, dann begann die Produktion. Sie erfolgt in einem Betrieb im baden-württembergischen Dottemhausen zwischen Balingen und Rottweil. Die fertigen Teile werden von dort nach Wipperfürth in Nordrhein-Westfalen transportiert und dort montiert. Vor knapp drei Jahren waren die ersten Tretroller einsatzbereit. „Schon zwei Jahre später gab es für unsere Tretroller sowohl mit als auch ohne Elektromotor die erste Auszeichnung für gutes Industriedesign.“
„Eine Lösung sollte es sein, die im Alltag bestehen und unkompliziert eingesetzt werden kann“ Birgit Schamuhn, Geschäftsführerin
„Dazu zählen vor allem die Fahrradreifen - vom in 16- Zoll, hinten 12-Zoll-Größe. Außerdem sind die Roller mit hydraulischen Scheibenbremsen ausgestattet.“ Wer den Antrieb nicht den eigenen Beinen, sondern dem Motor überlassen möchte, erhält einen 36-Volt-Akku, dessen Ladekapazität für eine Strecke von etwa 35 Kilometer ausreicht und bei Bedarf auch die Beleuchtung mit Strom versorgt.
Birgit Schamuhns Unternehmen ist nicht allein am Markt, längst ist ein knappes Dutzend Mitbewerber beim Tretrollerbau aktiv. „Jeder hat bei der Konstruktion seine Schwerpunkte. Zu den wichtigsten Merkmalen unserer Roller gehört die Sicherheit“, sagt die Geschäftsführerin.
Der Motor ist ein herkömmlicher Fahrradmotor, wie er auch für E-Fahrräder verwendet wird. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 20 Kilometern pro Stunde. Unabhängig von der technischen Ausstattung: Ganz individuell kann die Lackierung gestaltet werden. „Ob zum Beispiel Hotel oder Ferienanlage - jeder kann sein eigenes Firmenbranding anbringen lassen und dann von seinen Gästen spazieren fahren lassen“, bietet das Klein Nordender Unternehmen an.
Rund 400 Tretroller hat „go!mate“ seit dem vergangenen Jahr verkauft, in diesem Jahr sollen es nach den Plänen des Unternehmens bereits 1500 und im kommenden Jahr 5000 sein. Der Preis für einen E-Tretroller liegt bei etwa 1600 Euro. Rückenwind erhofft sich Birgit Schamuhn vom Gesetzgeber aus Berlin. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat sich offen gezeigt, die rechtlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der elektrischen Variante der Roller zu schaffen, die - sofern vorhanden - auf Fahrradwegen und Radfahrstreifen und ansonsten auf der Straße fahren sollen. Dabei geht es um Roller mit Geschwindigkeiten von 12 bis 20 Stundenkilometern. Außerdem ist an eine Versicherungspflicht und eine entsprechende Plakette gedacht. Auch die Mitnahmemöglichkeit in öffentlichen Verkehrsmitteln soll festgeschrieben werden. „Bei unseren Rollern ist das kein Problem“, freut sich Geschäftsführerin Schamuhn. „Sie können dreimal gefaltet werden und wiegen ganze sieben Kilo.“
Bis die endgültige Zulassung in Deutschland kommt, setzt Birgit Schamuhn vor allem auch auf das Auslandsgeschäft. In Kopenhagen, Malmö, Antwerpen oder Wien gehören die Roller längst zum Straßenbild. Dass schon bald auch in deutschen Städten die Tretroller des Unternehmens zum Alltag zählen werden - daran zweifelt Birgit Schamuhn nicht. Um die größeren Ziele („Vielleicht kommen wir eines Tages auch auf 15000 Roller pro Jahr“) erreichen zu können, sucht sie noch einen weiteren Investor. An Kunden, so ist sie sich sicher, wird es nicht fehlen. Dabei hat sie auch Segler sowie Jacht- und Caravanbesitzer im Visier, für die ein Tretroller, ob mit oder ohne Elektroantrieb, ein idealer Bestandteil der Bordausstattung sein könne. Wolfgang Duveneck